Die Beziehungen zwischen Finanzierungspartner:innen und Geförderten sind oft von Hierarchien und strengen Vorgaben geprägt – das steht echter Wirkung im Wege. Dass es auch anders geht, zeigen immer mehr Partnerschaften im gemeinnützigen Sektor. Eine davon ist die zwischen ProjectTogether und der Röchling Stiftung: Seit nun fünf Jahren arbeiten wir eng zusammen. Wie verlief die Partnerschaft und welche Erkenntnisse lassen sich daraus ableiten? Wir sprachen darüber mit Uwe Amrhein von der Röchling Stiftung und Sophia von Bonin von ProjectTogether.
Fünf Jahre Partnerschaft – wie fing es an?
Uwe Amrhein: Ich kenne ProjectTogether schon sehr lange. „Schüler-Initiative“ hieß es damals, als ich noch bei Generali war. Das war ein ganz informelles Vernetzen und seitdem standen wir in Kontakt. Dann hatte ProjectTogether die Idee, gemeinsam mit dem Sozialunternehmen soulbottles eine Initiative zu starten, bei der nachhaltige Start-ups im Bereich Kreislaufwirtschaft gefördert werden sollten …
… ActOnPlastic. Hier hat ProjectTogether erstmals einhundert Initiator:innen in einem Prozess zu einem Thema zusammengebracht: Plastikmüllvermeidung. Ein Teil davon war der soulincubator, ein intensives Unterstützungsprogramm für besonders vielversprechende Initiativen.
Uwe: Ja, die Röchling Stiftung hat das finanziert und weil das gut funktioniert hat, haben wir im Dialog miteinander Circular Futures entwickelt. Das war keine einseitige Geschichte, etwa dass Ihr mit einem fertigen Konzept auf uns zukamt und uns gesagt habt: Bitte dafür Geld geben oder nicht – sondern das war ein gemeinsames iteratives Weiterentwickeln.
Sophia, Du warst damals Mitinitiatorin von Circular Futures von Seiten ProjectTogether. Was war die Idee dahinter?
Sophia von Bonin: Im Sommer 2021 haben wir Circular Futures gestartet und uns zunächst darauf konzentriert, eine Community aus „zirkulären Macher:innen“ aufzubauen. Unser Ziel war: Kreislaufwirtschaft aus der Nische holen und Innovationen in die Breite bringen. Von Anfang an hatten wir auch die Idee, transformative Allianzen zu schmieden und in Reallaboren praktische Lösungen zu erproben. Wie genau das aussehen würde, war anfangs noch offen – umso wichtiger war der Austausch mit Partner:innen, mit denen wir Ideen schärfen und erste Prototypen umsetzen. In dieser Entwicklung war die Röchling Stiftung eine wertvolle und konstruktive Begleiterin.
Uwe: Das ist für uns auch ganz normal. Schon in der Frühphase von ProjectTogether selbst war das immer ein gemeinsames Nachdenken. Wenn jemand mit einer Idee reinkommt, dann sagen wir als erstes: Diese ganze Antragslyrik und die dazugehörigen Floskeln braucht kein Mensch. Nein, lass uns erstmal zusammensetzen und gemeinsam reden! Was schwebt Euch vor? Stimmt das mit den Zielen überein, die wir als Stiftung verfolgen, mit unseren fördernden Tätigkeiten? Und dann muss man überlegen: Haben wir ein gemeinsames Ziel? Wenn ja, welche Ressourcen haben wir jeweils, die wir einbringen können, um dieses gemeinsame Ziel zu erreichen? Das ist ganz wichtig.
Sophia: Das ist Missionsorientierung. Es geht darum, ein gemeinsames Zielbild zu entwickeln, das wie ein Leitstern die Richtung vorgibt und alle Beteiligten motiviert. Dieses Ziel schafft Orientierung und einen klaren Rahmen, bleibt aber gleichzeitig flexibel genug, um auf neue Entwicklungen reagieren zu können. Die Rollen der Beteiligten können sich im Laufe des Prozesses anpassen – je nachdem, welche Stärken und Ressourcen gerade gebraucht werden, um das Ziel zu erreichen.
Uwe: In unserer Welt bei der Röchling Stiftung gibt es eigentlich keine Geförderten und Förderer. Es gibt zwei oder idealerweise deutlich mehr Organisationen, die ein gemeinsames Ziel erreichen wollen. Die einen haben möglicherweise finanzielle Ressourcen, die anderen haben Ressourcen wie Kompetenz, Netzwerke, Kontakte, Erfahrungen in einem bestimmten Gebiet und so weiter. Und wo steht es geschrieben, dass die Ressource Geld unter den eben genannten die wertvollste ist? So ist es nicht.


Die einen haben möglicherweise finanzielle Ressourcen, die anderen haben Ressourcen wie Kompetenz, Netzwerke, Kontakte, Erfahrungen in einem bestimmten Gebiet und so weiter. Und wo steht es geschrieben, dass die Ressource Geld unter den eben genannten die wertvollste ist?
Uwe AmrheinStiftungsmanager
Röchling Stiftung
Wie kann eine solche Zusammenarbeit über finanzielle Förderung hinaus Wirkung entfalten?
Uwe: Um es bildlich zu erklären: Wenn wir in eine Kooperationslandschaft investieren, geht es nicht darum, nur eine einzelne, beeindruckende Blume zu fördern, die schnell wieder verwelken kann. Stattdessen investieren wir in den Humus, also den nährstoffreichen Boden, auf dem viele Blumen wachsen und gedeihen können. Das nennen wir Infrastruktur-Förderung. So entsteht eine fruchtbare Umgebung, in der konkrete Ideen erprobt und weiterentwickelt werden können.
Das ist die bereits genannte Reallabor-Idee. Seit Ende 2022 gibt es unter dem Dach von Circular Futures die Allianz mehrweg.einfach.machen. Sophia, warum habt Ihr diesen Schwerpunkt gesetzt?
Sophia: Wir haben damals gesehen: Die Mehrwegangebotspflicht kommt zum 1. Januar 2023 und damit ein großer Hebel für die Kreislaufwirtschaft. Gastronomien, Lieferdienste – so gut wie alle Anbieter:innen für den Außer-Haus-Verzehr müssen seitdem Mehrweg anbieten. Wir hatten das Glück, dass in unserer Community bereits viele Mehrweg-Innovator:innen aktiv waren und so waren wir nah dran. Viele unserer Mitstreiter:innen waren einerseits optimistisch, dass durch die Regulierung das Thema Aufwind bekommt. Andererseits war auch klar: Das Gesetz ist unscharf und eher unambitioniert, und zu viel dürfte man nicht erwarten. Und so dachten wir: Hier ergibt sich für uns, für die Kreislaufwirtschaft, eine gute Möglichkeit, zu zeigen, wie sich Kreisläufe schließen lassen. Unsere Hypothese war: Ja, es braucht die Innovator:innen. Aber es braucht mindestens so viel Engagement von anderen Akteur:innen wie etwa die Kommunen oder der Gastronomie selbst. Kreislaufwirtschaft ist keine Selbstläuferin! Es braucht neue Kooperationen, es braucht Anschub.
Uwe: Hier war auch von unserer Seite ein hohes Maß an Flexibilität gefordert. Ein klassischer Förderer würde sagen: Wir folgen dem festgelegten Plan, der bleibt so bestehen, und das machen wir dann über die Jahre. Das ist bei ProjectTogether nicht so. Es kann gut sein, dass Ihr umsteuert, auch mal radikal …
Sophia: … und wir sind sehr dankbar für dieses Vertrauen, dass neue Wege ausprobiert werden dürfen oder dass auch mal Fehler Teil des gemeinsamen Lernprozesses sind. Nur wenn alle Beteiligten bereit sind, offen und transparent zusammenzuarbeiten, entstehen echte Innovationen und nachhaltige Lösungen.
Uwe: Dafür ist die wechselseitige Vertrauensbildung ganz wichtig. Das war schon bei der Partnerschaft mit soulbottles so – ein Unternehmen im Verantwortungseigentum mit einem Holocracy-Ansatz. Dagegen sind wir als Röchling Stiftung ja aus dem Kontext einer Unternehmerfamilie heraus gegründet worden. Und das Unternehmen, das die Familie gemeinsam betreibt, gibt es seit 1822, in dem Sinne ein sehr erfolgreicher Repräsentant der alten Wirtschaft. Diese beiden Pole mussten sich ja nicht nur aufeinander zubewegen, sondern auch einander Vertrauen fassen. Das war immer respektvoll und freundschaftlich.
Wie siehst Du in darin die Rolle von ProjectTogether?
Uwe: Ihr seid der Intermediär, das vermittelnde Glied, das diese beiden Welten zusammenführt. Das ist eine ganz wichtige Funktion von ProjectTogether. Ihr seid die Brückenbauer, nicht nur zwischen diesen unterschiedlichen Sektoren Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft, sondern auch zwischen den unterschiedlichen Playern mit ihren völlig unterschiedlichen Handlungslogiken.
Weiten wir für einen Moment den Blick: Welche Rolle hat Deiner Ansicht nach die Philanthropie für die zirkuläre Transformation?
Uwe: Im Bereich der Kreislaufwirtschaft haben wir ja die regulatorische Ebene, sprich Politik und Verwaltung, von der Kommune bis zur EU. Dann gibt es die Unternehmen in der gesamten Wertschöpfungskette. Und die müssen gemeinsam nicht nur die regulatorischen Vorgaben umsetzen, sondern auch eine massive Veränderung in ihren Geschäftsmodellen so gestalten, dass sie damit auch noch Geld verdienen. Das ist eine riesengroße Herausforderung. Also ist die Frage: Welchen Einfluss kann die Philanthropie darauf nehmen? Wir können Orte und Gelegenheiten schaffen, die geeignet sind, Kooperationen über die Wertschöpfungskette und auch über die Sektoren hinweg zu organisieren. Daran mangelt es in vielen Fällen.
Sophia: Das ist für uns Collective Action: Verschiedene Akteur:innen aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft arbeiten gemeinsam an einer Lösung für eine große gesellschaftliche Herausforderung. Das funktioniert aber nur, wenn auch die Finanzierung mitzieht: Wenn sie flexibel, langfristig und wirkungsorientiert ist. Statt klassischer Projektförderung geht es darum, Ökosysteme und Infrastrukturen zu unterstützen. In denen entstehen Innovationen. Finanzielle Mittel müssen dynamisch eingesetzt werden – dort, wo sie gerade am meisten gebraucht werden – und an die tatsächlichen Ergebnisse gekoppelt sein. Diese Idee ist schon ziemlich disruptiv für den Sektor – weg von der klassischen Projektitis, hin zu langfristigen Kooperationen für systemische Veränderung.

Finanzielle Mittel müssen dynamisch eingesetzt werden – dort, wo sie gerade am meisten gebraucht werden – und an die tatsächlichen Ergebnisse gekoppelt sein. Diese Idee ist schon ziemlich disruptiv für den Sektor – weg von der klassischen Projektitis, hin zu langfristigen Kooperationen für systemische Veränderung.
Sophia von BoninMission Lead
Circular Futures

Fünf Jahre Partnerschaft liegen nun hinter uns. Wie geht es weiter?
Sophia: 2025 gibt es zwei große strategische Themen: Erstens wollen wir die Umsetzungsallianz für Mehrweg To-Go verstetigen – und zwar durch eine systematische Stärkung von Akteur:innen im System, die diese Arbeit über die nächsten Jahre sinnvollerweise weiterführen. Dazu gehören vor allem der Mehrwegverband Deutschland und der neue DATI-Pilot MEHRCE, der bald im Frühjahr an den Start geht. MEHRCE ist ein tolles Signal für die Mehrwegwelt – weil hier ein bedeutendes Funding für den Aufbau von Mehrweginfrastrukturen für To-Go und darüber hinaus ins System fließt. Zweitens haben wir gerade eine neue deutschlandweite Allianz für die Bauwende gestartet: Hier übertragen wir unsere Erfahrungen mit transformativen Allianzen im Mehrwegbereich auf den Bausektor. Wir springen also auch ganz schön im Wirkungspotenzial, denn die Veränderung des Bausektors ist eine ambitioniert Aufgabe und gleichzeitig werden Veränderungen hier wirklich messbare Wirkung haben, auf Treibhausgase, Rohstoffverbrauch und Abfallraten. Wir sind sehr froh, auch bei diesem mutigen Schritt einen mutigen Förderer an unserer Seite zu wissen.
Uwe: Noch stärker ins gemeinsame Handeln kommen – darauf freue ich mich. Ich bin großer Fürsprecher der Collective-Impact-Logik, die von ProjectTogether zumindest inspiriert ist. Da heißt es auch: eine gemeinsame Agenda muss nicht nur erarbeitet, sondern auch konsequent umgesetzt werden. Das heißt, die unterschiedlichen Stakeholder müssen die zugesagten Ressourcen und Leistungen tatsächlich einbringen, um Ergebnisse zu erzielen. Es reicht nicht, Ziele zu formulieren – man muss dauerhaft dranbleiben und Verantwortung übernehmen. Das erfordert nicht nur Koordination, sondern auch den Willen, gemeinsam an Herausforderungen zu wachsen. Gleichzeitig muss man den Mut haben, neue Wege zu gehen und auch mit Unsicherheiten umzugehen. Einen langen Atem haben und kontinuierlich an den vereinbarten Zielen arbeiten, um echte gesellschaftliche Veränderungen zu bewirken.
Vielen Dank für das Gespräch. Wir freuen uns auf weitere Jahre guter Partnerschaft.
Das Interview führte Johannes Tödte.

Uwe Amrhein ist Stiftungsmanager bei der Röchling Stiftung und verantwortet dort sowohl die fördernden als auch die operativen Aktivitäten der Stiftung.
Mit 18 Jahren Erfahrung im gemeinnützigen Sektor hat er unter anderem die Stiftung Bürgermut in Berlin mitgegründet und war CSR-Leiter bei Generali Deutschland.

Sophia von Bonin ist Mission Lead von Circular Futures und arbeitet seit fast vier Jahren bei ProjectTogether an der Ressourcenwende. Sie ist gelernte Organisationsentwicklerin, hat bei verschiedenen Social-Start-ups gearbeitet und selbst gegründet. Ihr beruflicher Werdegang begann im internationalen Kontext mit Stationen beim UNDP, bei der Sparkassenstiftung für Internationale Zusammenarbeit und in der GIZ.
