„Wenn es Sie als Umsetzungsallianz nicht geben würde, müsste man Sie ganz dringend erfinden.“

Berlin, 20. Dezember 2022. Gastronomie, Catering, Lieferdienste oder Lebensmitteleinzelhandel – ab Januar 2023 müssen alle, die Essen für unterwegs verkaufen, eine Alternative zum Einweg anbieten: Es gilt die Mehrwegangebotspflicht für den To-Go-Bereich. Welche Hürden gibt es und wie überwinden wir sie? Wie bringen wir bereits bestehende Lösungen in die Breite? Gemeinsam mit WWF Deutschland und dem Mehrwegverband Deutschland brachte ProjectTogether über 140 Mitgestalter:innen, Vordenker:innen und Partner:innen aus Politik, Zivilgesellschaft und Wirtschaft zusammen – digital und in Berlin-Kreuzberg. Motto: mehrweg.einfach.machen.

Allen Medienberichten oder Appellen für mehr Problembewusstsein zum Trotz: Das Verpackungsaufkommen in Deutschland wächst von Jahr zu Jahr. Pro Stunde werden in Deutschland laut der Deutschen Umwelthilfe 320.000 Einweg-Becher und 520.000 Einweg-Essensboxen verbraucht. Die Weichen für eine Wende stellt jetzt die Mehrwegangebotspflicht. Aber wird das Gesetz dann auch wirklich greifen? Viele Gastronom:innen und zuständige Stellen aus der Verwaltung haben Fragen oder Zweifel, etwa zu Logistik, Hygiene, Kundenakzeptanz oder Ökobilanz.

Mit vereinten Kräften den Durchbruch schaffen

„Wie viel Momentum steckt in der Mehrwegangebotspflicht?“, fragt Moderatorin Ilka Stein von ProjectTogether zu Beginn im Spielfeld Digital Hub, dem Veranstaltungsort in Kreuzberg. Vor Ort, aber auch digital, bringen die Teilnehmenden ihre Perspektiven zusammen. Die Idee hinter dem hybriden Konzept: Möglichst vielen die Teilhabe ermöglichen und Distanzen abbauen – um gemeinsam Mehrweg zum Durchbruch zu verhelfen. Denn dafür ist es höchste Zeit, wie die Expert:innen vor Ort zeigen.

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Der Planet droht in Plastikmüll zu ersticken – und alleine auf besseres Recycling zu setzen, wird nicht ausreichen.

Bernhard BauskeWWF Deutschland

„Der Einsatz von Mehrwegsystemen ist ein wirkungsvolles Instrument, um die anfallenden Mengen an Plastikmüll zu reduzieren“, sagt Mitinitiator Bernhard Bauske vom WWF Deutschland. „Bis zum Jahr 2040 können in Deutschland neue Liefermodelle und Mehrwegsysteme das Abfallaufkommen an Kunststoffverpackungen um 23 Prozent verringern, wie eine WWF-Studie gezeigt hat. Der WWF unterstützt das Projekt mehrweg.einfach.machen, um in Deutschland die Hürden für einen flächendeckenden Einsatz von Mehrwegsystemen für das gastronomische Angebot möglichst schnell zu beseitigen.“

Mehrweg braucht Koordinierung

Nicht nur Plastik, sondern auch der Anstieg der Kohlendioxidemissionen gehört bekanntlich zu den großen Problemen durch die auf Einweg ausgerichteten Strukturen. Elena Schägg von der Deutschen Umwelthilfe äußert in der Diskussion, dass durch einen kompletten Umstieg auf Mehrwegverpackungen pro Jahr über 400.000 Tonnen Kohlendioxid eingespart würden. Die Potenziale einer konsequenten Umstellung auf Mehrweg sind also riesig – aber wie gelingt der Wandel?

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Wir glauben, dass es jetzt einen kollektiven Kraftakt braucht, um die bestehenden Hürden pragmatisch und umsetzungsorientiert anzugehen und gemeinsam aus dem Weg zu räumen.

Sophia von BoninMitinitiatorin mehrweg.einfach.machen
ProjectTogether

„Mehrweg braucht Koordinierung“, erklärt Sophia von Bonin, Mitinitiatorin der Umsetzungsallianz und Leiterin von Circular Futures. „Mit Ansätzen wie Open Social Innovation haben wir bei ProjectTogether erfolgreich erprobt, wie hunderte Akteur:innen über die Grenzen von Sektoren oder Fachbereichen hinweg zusammenarbeiten. Genau darauf arbeiten wir in der Umsetzungsallianz hin. Damit Mehrweg zum Default wird.“

Vier Handlungsfelder für Mehrweg-To-Go

Wie eine solche koordinierte Zusammenarbeit aussieht, zeigen die Teilnehmer:innen am Nachmittag. In moderierten Gruppen bearbeiten Vertreter:innen von Umweltverbänden, von Kommunen und Städten, Gastronomiebetreiber:innen, Anbieter:innen von Mehrwegverpackungen und viele weitere Akteur:innen gemeinsam Fragen in vier Handlungsfeldern.

 

1 Marktakzeptanz bei Konsument:innen

Nur wenigen Verbraucher:innen ist die Mehrwegangebotspflicht bislang bekannt. Der Komfort von Einwegbehältnissen überwiegt bislang. Wie können wir Konsument:innen dafür gewinnen, Mehrweg zu nutzen – und zurückzugeben?

2 Umsetzung bei Letztvertreiber:innen

Gastronom:innen und der Lebensmitteleinzelhandel sind häufig überwältigt von neuen Anforderungen. Viele bezweifeln die Nachfrage nach Mehrweg und scheuen den Mehraufwand ebenso wie die vermuteten Mehrkosten. Wie erreichen wir Letztvertreibende jetzt und unterstützen sie bei der Mehrweg-Einführung?

3 Rückhol- und Spüllogistik & digitale Infrastruktur

Es fehlt an einer flächendeckenden Rückhol- und Spüllogistik, um Gastronomie und Verbraucher:innen die Umstellung zum Mehrweg zu ermöglichen. Standardisierungen spielen dabei eine wichtige Rolle. Wie können wir Prozesse im Back-End so gestalten, dass Mehrweg die einfachste, günstigste und ökologisch sinnvollste Option wird?

4 Vollzug durch Städte und Kommunen

Die Umsetzung der Mehrwegangebotspflicht ist komplex und erfordert länderübergreifende Zusammenarbeit – bei begrenzten Kapazitäten. Wie können wir den öffentlichen Sektor unterstützen, die Umsetzung der Mehrwegangebotspflicht nachzuhalten?

Alle tragen ihren Teil der Verantwortung

Aufbauend auf den Ergebnissen aus den Workshops wird das Team der Umsetzungsallianz ab Januar die Prozesse für die Lösungsentwicklung gestalten. Klar wurde, dass es dafür alle Akteur:innen braucht. „Jeder in der Gesellschaft, auch die Unternehmen, müssen ihren Teil der Verantwortung übernehmen“, betont Patrick Rothkopf, der Präsident des Deutsche Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA) Nordrhein, „Ich bin sehr froh, dass es jetzt endlich losgeht.“

Mit Spannung wurde auch die Sicht der Bundesregierung erwartet. Umweltministerin Steffi Lemke wendet sich zum Abschluss der Veranstaltung vor Ort mit anerkennden Worten an alle Teilnehmer:innen.

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Wenn es Sie als Umsetzungsallianz nicht geben würde, müsste man sie ganz dringend erfinden.

Steffi LemkeBundesministerin für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz

Welche Relevanz sieht die Bundesministerin in der Umsetzungsallianz, kurz bevor die Mehrwegangebotspflicht rechtsgültig wird? „Gesetze können letztendlich nur so gut funktionieren, wie sie es müssen, wenn Erfahrung aus der Praxis einfließt. Das ist für mich der wertvollste Beitrag, auf den wir wirklich angewiesen sind.“ Als offizielle Schirmherrin von mehrweg.einfach.machen kündigt sie ihre Unterstützung an: „Wir werden mit verschiedensten Maßnahmen ihre Arbeit begleiten.“

Der Kick-Off hat eines bewiesen: Der Veränderungswille ist da. Im neuen Jahr wird sich zeigen, mit welchen Lösungen und Ansätzen die Community der Umsetzungsallianz in das gemeinsame Handeln findet.

Text: Johann Oltrogge, Johannes Tödte

Fotos: Anita Back; Foto Sophia von Bonin: Samuel Groesch

 

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Website der Umsetzungsallianz 

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Pressekontakt: Johannes Tödte
Mail: jtoedte@projecttogether.org
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