Finja Kütz ist Finanz-Expertin. Sie hat unter anderem 21 Jahre bei Oliver Wyman und drei Jahre als stellvertretende COO bei UniCredit gearbeitet. Heute ist Finja als Aufsichtsrätin und Senior Advisor tätig. Seit diesem Sommer steht Finja auch ProjectTogether als ehrenamtliche Fellow zur Seite. Im Interview spricht sie über die Finanzierung der Bauwende, die Notwendigkeit kreativer Lösungen und über ihre Motivation.
Liebe Finja, neben Deinen Tätigkeiten als Aufsichtsrätin und unabhängige Senior Advisor, engagierst Du Dich jetzt als Fellow für ProjectTogether. Wie kam es dazu?
Ich habe seit Ende 2022 in verschiedenen Missionen immer wieder Berührungspunkte mit ProjectTogether. Der erste Kontakt hat sich aus meiner privaten Leidenschaft für Agroforst ergeben. Als ich Philipp von der Wippel kennenlernte, sprachen wir darüber und er lud mich spontan zu einem Retreat des Farm-Food-Climate Teams ein, bei dem Agroforst oben auf der Agenda stand. Ich fand es spannend zu sehen, wie ProjectTogether so unterschiedliche Akteurinnen und Akteure an einen Tisch bekommt und gemeinsam mit ihnen nach Lösungen sucht.
Da waren in klassischer ProjectTogether-Manier Vertreterinnen und Vertreter aus dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Starts-ups, Zivilgesellschaft und, und, und mit dabei. Eine sehr anregende und vielversprechende Mischung. So bot ich dem Team an, meine Erfahrung aus dem Finanzsektor zu nutzen, um ihnen zu helfen, Banken für die Finanzierung von Agroforst zu erwärmen. Das läuft gut und dann haben wir überlegt, dass ich auch in anderen Projekten mitwirken kann– jetzt eben etwas formalisierter in meiner Rolle als Fellow für ProjectTogether.
Was machst Du in Deiner Rolle konkret? Was ist Dir dabei wichtig?
Ich habe sehr lange in der Finanzindustrie gearbeitet – erst als Beraterin, dann in einer Bank und jetzt als Aufsichtsrätin und Senior Advisor. Diese Erfahrung bringe ich jetzt in die Missionen bei ProjectTogether ein. Mein Fokus für die kommenden Monate ist die nachhaltige Bauwende. Bauen ist eine sehr teure Angelegenheit; es braucht fast immer große Kredite.
Meine Rolle ist es, gemeinsam mit Bau-Expertinnen und -Experten zu evaluieren, welche Hebel die Kosten und auch die Finanzierung von nachhaltigem Bau attraktiver, also günstiger machen. Ich hoffe, dass wir zusammen einige ganz konkrete Ansätze identifizieren, wie wir nachhaltiges Bauen weniger teuer machen können und dabei viele motivieren, diesen Weg zu gehen.
Wenn wir es beispielsweise schaffen, gebrauchte Bauteile in großen Mengen und mit den üblichen Gewährleistungen so günstig anzubieten, dass sie weniger kosten als neue, wäre das ein wichtiger Schritt.
Finja KützFinanz-Expertin, Aufsichtsrätin, Senior Advisor, Fellow bei ProjectTogether
Was bedeutet für Dich in Deiner Rolle Impact?
Wir haben mehrere Herausforderungen, die wir als Gesellschaft lösen müssen: die Klimakrise, die Biodiversitätskrise und eine Reihe von sozialen und politischen Problemen. Ich habe den Luxus, dass ich mich in einer Karrierephase befinde, in der ich einen Teil meiner Zeit ehrenamtlich einbringen kann, einen Beitrag zu diesen Lösungen zu leisten. Dabei ist mir wichtig, dass mein Beitrag von dem profitiert, was ich als Erfahrungen und Fähigkeiten mitbringe. So kann ich den größten Impact generieren.
Ich bin keine Architektin oder Bauingenieurin, kann also wenig Bau-fachliches einbringen. Aber ich weiß beispielsweise, wie Banken funktionieren und welche Regularien sie zu berücksichtigen haben, oder wie Veränderungsprozesse ablaufen. Das bringe ich in ein diverses Team ein. Impact ist für mich also, wenn ich mein Wissen und meine Erfahrung möglichst effektiv nutzen kann. Und der Ansatz von ProjectTogether, neue Methoden für kollektives Handeln zu entwickeln, ist da ideal.
Warum ist die Bauwende eigentlich so wichtig? Was sind die Herausforderungen in der Finanzierung?
Der Bausektor ist für gut ein Drittel der CO₂-Emissionen verantwortlich. Bisher liegt der Fokus in der öffentlichen Diskussion vorrangig auf der energetischen Sanierung von Gebäuden und dem Bau von energiesparenden Gebäuden, also der Emissionen, die im Unterhalt der Gebäude produziert werden. Doch das sind nur ca. 50 % der Emissionen des Bausektors. Die anderen 50 % der Emissionen, die in der Bauphase entstehen, müssen wir auch angehen.
Außerdem ist der Bausektor zusammen mit dem Verkehrssektor primär für die Versiegelung der Böden verantwortlich, die aktuell über 20 Hektar am Tag beträgt. Das ist ein riesiges Problem für die Biodiversität, da Tiere und Pflanzen immer weniger Platz haben. Es ist aber auch ein Problem für die Adaption an den Klimawandel, weil versiegelte Böden kein Wasser aufnehmen und es eher zu Überschwemmungen kommt. Schließlich und ganz wichtig fehlt gerade in den Großstädten bezahlbarer Wohnraum für viele Menschen. Das ist ein großes soziales Problem.
Da diese drei Herausforderungen in ganz unterschiedliche Richtungen zeigen, müssen wir kreative Lösungen finden, die allen möglichst gerecht werden. Und weil Bauen so teuer ist, brauchen wir Lösungen, die wir uns auch leisten können – als Einzelpersonen und als Gesellschaft.
Im öffentlichen Diskurs zum Thema Bauen geht es oft darum, dass dringend mehr gebaut werden müsste. Wie siehst Du das?
Ich bin keine Bau-Expertin, daher ist meine Einschätzung hier eine eher private, laienhafte. Aber die Zahlen, die ich gesehen habe, legen nahe, dass uns zum Teil Wohnraum fehlt, vor allem aber fehlen uns Wohnungen. Was meine ich damit? Es gibt viele Menschen, die in Wohnungen oder Häusern wohnen, die ihnen zu groß sind. Doch oft möchten diese Menschen nicht aus der vertrauten Umgebung. Und vielleicht ist mit den Preisentwicklungen der vergangenen Jahre ein Umzug in etwas Kleineres auch nicht attraktiv. Hier müssen wir kreative Lösungen entwickeln, die aus einer Wohnung oder einem Haus zwei oder mehr Wohneinheiten machen und das so, dass es für die aktuellen Bewohnerinnen und Bewohner attraktiv ist, diesen Weg zu gehen.
Außerdem gibt es noch einiges an Dachreserven oder Bürogebäuden, die nicht mehr als solche gebraucht werden, die ausgebaut werden könnten. Oder, falls möglich, können Gebäude aufgestockt werden. Es braucht also nicht immer Neubau, teilweise können wir auch mit Umbau viel erreichen. Ökologischer ist das ohnehin.
Bei ProjectTogether wollen wir Transformation vorantreiben. Welche Ansätze siehst Du, die Kosten für diese Transformation machbar zu halten?
Nehmen wir das Thema Wohnraum. Dann ergeben sich die Kosten für eine neue Wohnung aus den Kosten für das anteilige Grundstück, auf dem die Wohnung entsteht, den Kosten der Baumaterialien, der Maschinen, der Arbeitskraft für Planung und Umsetzung, sowie den Kosten für relevante Genehmigungen, Verträge und der Finanzierung. An all diesen Kostenblöcken können wir prüfen, ob wir strukturelle Möglichkeiten finden, sie günstiger zu machen.
Wenn wir es beispielsweise schaffen, gebrauchte Bauteile in großen Mengen und mit den üblichen Gewährleistungen so günstig anzubieten, dass sie weniger kosten als neue, wäre das ein wichtiger Schritt. Oder wenn wir es einfacher und attraktiver machen, Wohnraum aufzuteilen, auszubauen oder aufzustocken, also man kein zusätzliches Grundstück kaufen muss, dann hilft das auch. Oder wenn wir es schaffen, dass Banken und Versicherungen in der Finanzierung von Gebäuden die Kreditkonditionen günstiger ausgestalten, sobald eine gewisse Quote an Baumaterialien recycelt ist. Oder ein Altgebäude umgewidmet, statt abgerissen wird. Dann hätte das auch einen Effekt.
Zu guter Letzt: Welche sind Deine Eindrücke vom Team bei ProjectTogether?
Beeindruckt bin ich von der Offenheit aller, die ich bei ProjectTogether getroffen habe, in ungewöhnlichen Kooperationen Lösungen für die großen Herausforderungen unserer Zeit zu suchen und Dinge auch mal ganz neu zu denken. Ich glaube, dass es genau das ist, was wir brauchen. Immerhin sind wir ja mit Herausforderungen konfrontiert, die viele Grundsätze, wie wir bisher gewirtschaftet und gebaut haben, infrage stellen. Da ist es unwahrscheinlich, dass die Lösungen von gestern die besten Antworten liefern.
Mir macht es Spaß und Mut, mit dieser Offenheit, die Themen anzugehen und mit Politik, Wirtschaft, Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Start-ups an Lösungen zu arbeiten. Danke an das Team von ProjectTogether, dass Ihr dafür eine so großartige und bereits so breit erprobte Plattform stellt!
Liebe Finja, herzlichen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Nina Schiegl.
Gemeinsam mit Pionier:innen der Bauwende bauen wir eine bundesweite Allianz. Zusammen starten wir Collective-Action-Projekte (CAPs) in vier Wirkungsfeldern: Bestandserhalt und Umbau, Flächennutzung, bezahlbarer Wohnraum und zirkuläre Baumaterialien. Erfahre mehr.