10.000 Tage
Open Social Innovation

10.000 Tage: Bundesministerium übernimmt Open Social Innovation als Methode

Mit der Mission 10.000 Tage hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung erstmals den Open-Social-Innovation-Ansatz von ProjectTogether übernommen und neue Wege der Fachkräftemobilisierung erprobt.

Im Frühjahr 2023 ruft ProjectTogether gemeinsam mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung zur Mission 10.000 Tage auf. Ausgangspunkt ist eine drängende Frage: Wie schaffen wir es, genug Menschen für Klimajobs zu gewinnen, damit die Energiewende gelingt? Über 270 Organisationen folgen dem Aufruf – Handwerkskammern, Sozialverbände, Energieunternehmen, Jugendinitiativen. In kurzer Zeit entsteht ein Netzwerk, das zeigt, was möglich ist, wenn Staat, Zivilgesellschaft und Wirtschaft gemeinsam handeln.

Die Herausforderung

Vom Fachkräftemangel zur gemeinsamen Mission

»Der Fachkräftemangel hält uns davor zurück, die großen Aufgaben unserer Zeit zu lösen«, sagt Jonathan Funke zum Auftakt der Mission 10.000 Tage. Zusammen mit dem ProjectTogether-Team ruft er dazu auf, das Problem als gemeinsame Gestaltungsaufgabe zu verstehen. Zur Schaffung der dringend benötigten Klimajobs brauche es das Mitwirken aller Sektoren und Regionen – viele verschiedene Fähigkeiten und Hintergründe seien gefragt. »Welche sind die Hebel in der Berufsorientierung oder Ausbildung? Wie lassen sich Umschulung oder Weiterbildung verbessern? Wie sorgen wir dafür, dass Neuzugewanderte schneller in Berufe kommen?« Das seien jetzt einige von vielen Herausforderungen, so Funke.

Im Publikum sitzt Niklas Schmucker, ein Auszubildender, der seine Sicht auf die Herausforderung auf den Punkt bringt:

»Ich finde, dass noch nicht bei jedem angekommen ist: Das sind wirklich die Jobs, auf die es ankommt. Es gibt glücklicherweise schon eine klimapolitisierte Jugend. Wenn die Arbeitgeber:innen mehr Raum schaffen würden, dieses Engagement auch einbringen zu können – in der Mitentscheidung im Betrieb –, wäre das ein großer Faktor.«

Niklas Schmucker, Auszubildender

Die Zahlen sind alarmierend: Bis 2030 fehlen in Deutschland rund 750.000 Fachkräfte, um die Klimaziele zu erreichen. Der Mangel betrifft vor allem handwerkliche und technische Berufe – Menschen, die Wärmepumpen installieren, Gebäude sanieren, Solarmodule montieren oder Netze modernisieren. Klassische Ausbildungs- und Weiterbildungswege greifen zu langsam. Viele Zielgruppen – etwa Quereinsteiger:innen, Zugewanderte oder junge Menschen ohne familiäre Unterstützung – werden kaum erreicht.

Deshalb startete ProjectTogether im Mai 2023 die Mission 10.000 Tage gemeinsam mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Ziel war es, in einem Open-Social-Innovation-Prozess Akteur:innen miteinander zu verbinden, die gemeinsam an der Mobilisierung, Aus- und Weiterbildung von Klimafachkräften arbeiten. Das Besondere: Zum ersten Mal kombinierte eine staatliche Institution den Open-Social-Innovation-Ansatz früherer Missionen wie #WirVsVirus und UpdateDeutschland mit dem längerfristigen Charakter von Missionen wie Farm-Food-Climate oder der Welcome Alliance.

Der Lösungsansatz

Fachkräfte mobilisieren, aus- und weiterbilden

Im Juni 2023 startete der öffentliche Aufruf, bei 10.000 Tage mitzumachen: Über 270 Organisationen aus Zivilgesellschaft, Bildung, Wirtschaft und Verwaltung reagieren. 98 bewerben sich für die Allianzbildungsphase, 80 werden ausgewählt.

Beim großen Allianzbildungsevent im Oktober 2023 in Berlin füllen sich die Räume schnell mit Stimmen, Ideen, Flipcharts. »Wir müssen uns die Hände schmutzig machen. Denn Handwerk ist das, was wir am meisten brauchen«, sagt Verena Pausder, Investorin und Vorständin von Digitale Bildung für Alle. Neben ihr ergänzt Florian Scholz, Geschäftsführer von Solaro PV:

»Für mich ist eine Fachkraft, wer eine Ausbildung abgeschlossen hat. Gleichzeitig ist es wichtig, unsere Ausbildungen anzupassen. Es sollte schon in der Ausbildung möglich sein, sich auf ein Feld zu spezialisieren und genau in dieser Sache ein Experte zu werden.«

Florian Scholz, Geschäftsführer Solaro PV

An diesem Tag entstehen Allianzen zwischen Handwerkskammern und Jugendinitiativen, zwischen Sozialträger:innen und Energieunternehmen, zwischen Migrant:innenorganisationen und Bildungswerken. Mit dem Ziel, gemeinsam an Collective-Action-Projekten für die Mobilisierung, Aus- und Weiterbildung von Klimafachkräften zu arbeiten. Das Team von 10.000 Tage begleitet die Teilnehmenden in mehr als 50 Einzelgesprächen, organisiert Peer-Austauschformate, unterstützt bei Konzeptentwicklung und Allianzbildung.

Neue Wege für staatliche Innovationspolitik

Für die Unterstützung von 10.000 Tage stellte das BMBF zwei Millionen Euro zur Verfügung, davon 1,5 Millionen Euro für die Förderung von Collective-Action-Projekten. Die Mittel wurden in Form von Preisgeldern in zwei Tranchen vergeben. Für das BMBF ein doppeltes Experiment: Statt klassischer Förderlogik mit umfangreicher Antragstellung und Berichtspflichten stand die Auszeichnung von Ideen und Konzepten im Vordergrund. Verbunden mit mehr Flexibilität in der Umsetzung im Rahmen der Methodik Open Social Innovation.

Ende des Jahres folgte die erste unabhängige Jurysitzung, Anfang 2024 wurden 900.000 Euro an neun Projekte vergeben. Im Mai 2024 folgte eine zweite Ausschüttung von 600.000 Euro an fünf weitere Projekte. Das BMBF bewertet das Experiment bereits nach der ersten Förderrunde positiv. Es zeigte sich, dass Open Social Innovation als Instrument auch für staatliche Akteure geeignet ist, um praxisnahe Lösungen zu entwickeln und flexibler zu fördern.

Fachkräfte mobilisieren, aus- und weiterbilden

Drei Beispiele verdeutlichen die Bandbreite der geförderten Projekte:

  • Berufe machen Zukunft entwickelt Lehrmaterialien und Train-the-Trainer-Formate, um Klimajobs diskriminierungssensibel und praxisnah in der Berufsorientierung zu verankern.
  • Circular Jobs – Azubis fürs Klima eröffnet benachteiligten Jugendlichen Zugänge zu technischen Klima-Ausbildungsberufen.
  • Neue Klimahelden qualifiziert Migrant:innen und Quereinsteiger:innen als Solarteur:innen und verknüpft die Ausbildung direkt mit Jobgarantien.

Auch das Solarcamp Berlin, entstanden aus einer Kooperation von Fridays for Future, ProjectTogether und dem Solarunternehmen Zolar, zieht große Aufmerksamkeit auf sich. Hier montieren Jugendliche zum ersten Mal selbst Solarmodule, sprechen mit Fachleuten und erleben hautnah, wie sich Zukunft gestalten lässt.

»Die Bereitschaft junger Menschen, die Energiewende selbst mit anzupacken und sich dabei auch die Hände schmutzig zu machen, ist unglaublich hoch«, sagt Linus Dolder von Fridays for Future. »Und auf diese Bereitschaft braucht es jetzt eine politische Antwort: Einerseits eine Ausbildungsoffensive, andererseits politische Rahmenbedingungen und Anreize für gute und gerechte grüne Jobs.«

Zusammenarbeit

ProjectTogether in Aktion

ProjectTogether orchestrierte den gesamten Prozess der Mission 10.000 Tage – von der Konzeption bis zur Umsetzung – gemeinsam mit dem BMBF.

  • Prozessdesign: Entwicklung eines zweistufigen Auswahlverfahrens für Allianzbildung und Preisgeldvergabe
  • Begleitung und Vernetzung: Betreuung der Allianzbildungsphase, Organisation der Jury und Abwicklung der Preisgelder
  • Unterstützung der Projekte: Kontinuierliche Begleitung der ausgezeichneten Projekte – mit Fokus auf Austausch, Kooperation und Wirkung
  • Wissenschaftliche Einbettung: Zusammenarbeit mit dem IMV Lab zur Evaluation und Weiterentwicklung des Prozesses
  • Erfahrung und Wirkung: Aufbauend auf Missionen wie #WirVsVirus und Farm-Food-Climate Strukturen für Zusammenarbeit auf Augenhöhe zwischen Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft
Was wäre, wenn …?

Open Social Innovation als Teil eines gestaltenden Staates

10.000 Tage ist die erste Mission von ProjectTogether, in der ein Bundesministerium Open Social Innovation vollständig übernommen hat. Damit wird deutlich: Staatliches Handeln kann neu gedacht werden – partizipativer, flexibler und näher an den Bedarfen der Gesellschaft.

Was wäre, wenn Open Social Innovation zum festen Bestandteil staatlicher Innovationspolitik würde? Wenn Preisgelder als Finanzierungsinstrument nicht Ausnahme, sondern Regel wären? Und wenn die Zusammenarbeit zwischen Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft systematisch auf gemeinsame Wirkung ausgerichtet würde?

Die Mission 10.000 Tage zeigt, dass dies möglich ist. Sie schafft ein Modell, wie staatliche Akteur:innen mit der Gesellschaft auf Augenhöhe zusammenarbeiten können, um eine der drängendsten Herausforderungen unserer Zeit zu lösen: genug Menschen für Klimajobs zu gewinnen, damit die Energiewende gelingt.

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