Gallin/Berlin. Vom 4. bis 6. September fand zum dritten Mal das Farm-Food-Climate Festival im Zukunftsort „Wir bauen Zukunft“ in Mecklenburg-Vorpommern statt. Rund 250 T eilnehmende aus Landwirtschaft, Politik, Non-Profit Organisationen, Unternehmen, Wissenschaft und Zivilgesellschaft kamen zusammen, um gemeinsam Lösungsansätze für die Zukunft der Landwirtschaft und Ernährungsbranche zu erarbeiten. Die Veranstaltung bot ein vielfältiges Programm, darunter einen Auftritt des Bundesministers für Ernährung und Landwirtschaft, Cem Özdemir, sowie Workshops zu Transformationsprojekten, Naturerlebnisse und Angebote zur persönlichen Entwicklung.










Vision und Zielsetzung des Festivals
Das Farm-Food-Climate Festival setzt sich zum Ziel, kollaborative Projekte und Ideen zu fördern, die unser Ernährungssystem nachhaltig verändern. Für Farm-Food-Climate, eine Mission der gemeinnützigen Organisation ProjectTogether, ist der Aufbau von Vertrauen und Beziehungen zwischen Vordenker:innen und Praktiker:innen essenziell, um gemeinsam Lösungen zu entwickeln, die über typische Branchengrenzen hinausgehen. Mit dem Fokus auf Zusammenarbeit und systemischer Wirksamkeit dient das Festival als Startpunkt für transformative, kollektive Initiativen.
Zukunftsorientierte Diskussionen und praxisnahe Workshops
Im Mittelpunkt des Festivals standen über 40 praxisnahe Workshops, in denen die Teilnehmenden konkrete Lösungsansätze für die Transformation des Ernährungssystems entwickelten. Themen wie die Schaffung resilienter landwirtschaftlicher Klimalandschaften, zukunftsfähige Anbauformen, die Rolle des Lebensmitteleinzelhandels und viele mehr wurden intensiv diskutiert. Dabei herrschte ein breiter Konsens über die Notwendigkeit, weniger dogmatisch und offener für unterschiedliche Sichtweisen zu agieren. Ein zentrales Anliegen war die Entwicklung positiver Narrative der Veränderung und konkrete, greifbare Herausforderungen, die Menschen motivieren, sich aktiv an der Transformation zu beteiligen.


Ich bin der festen Überzeugung, dass Wandel nur gemeinsam – also zusammen mit unseren Landwirtinnen und Landwirten – gelingen kann. Wir brauchen eine Landwirtschaft, die wieder stärker mit dem Land, den Böden und der Umwelt zusammenwächst – und sich jeden T ag bewusst ist, dass Nutzen und Schützen zwei Seiten derselben Medaille sind. Das kann aber nur funktionieren, wenn die nötigen Veränderungen für die Betriebe auch eine wirtschaftlich tragfähige Perspektive bieten und wir unsere Landwirtinnen und Landwirte auf dem Weg nicht allein lassen. Landwirtschaft ist eben auch – es steckt im Namen – Wirtschaft!
Cem ÖzdemirBundesminister für Ernährung und Landwirtschaft

Der Diskurs über Nachhaltigkeit handelt aktuell nur über Verlust und Verzicht (z. B. Abstiegsängste). Dabei müssten wir uns eigentlich fragen, wie wir positive Zukunftserzählungen schaffen können. Aktuelle landwirtschaftliche Narrative sind zu komplex, nicht verbindend und gespickt von Falschinformationen. In unserem Sektor müssen wir uns vielmehr auf Glaubwürdigkeit und Vertrauen schaffende Erzählungen fokussieren.
Olaf DeiningerChefredakteur Agrarzeitung, dfv

Auflistung einiger Workshops
● “Bauern als Zukunfts-Bauern” von Hans-Heinrich Berghorn (Deutscher Bauernverband): Ein verändertes Selbstverständnis der Landwirt:innen kann das Ernährungssystem transformieren. Nachhaltig und innovativ handelnde Betriebe fördern umweltfreundliche Praktiken und neue Geschäftsmodelle, was die Nahrungsmittelproduktion insgesamt ressourcenschonender macht.
● “Grüner Teller am Krankenbett – Gesundes und nachhaltiges Essen im Krankenhaus” von Evelyn Medawar (PAN International): Patient:innen und Gesundheitspersonal sollen gesunde, nachhaltige Mahlzeiten erhalten, um präventiv zurGesundheit beizutragen und durch Aufklärung einen neuen Zugang zu klimafreundlicher Ernährung zu gewinnen.
● “Water is key! Wasser als Schlüsselthema der Ernährungswende” von Nina Wollf (Slow Food): Wasser ist zentral für die Landwirtschaft und die Lebensmittelproduktion, wird aber in Debatten zur Transformation der Ernährungssysteme oft vernachlässigt. Um Wassersicherheit und -gerechtigkeit zu fördern, muss das Gemeinwohlinteresse an Wasser stärker in gesellschaftliche und politische Diskussionen eingebracht werden.
● “Privatwirtschaftliche Honorierung von Gemeinwohlleistungen der Landwirtschaft” von Erik Borner (Regionalwert Leistungen GmbH): Die Idee ist, eine Brücke zwischen Wirtschaft und Landwirtschaft zu schaffen, indem Gemeinwohlleistungen der Landwirtschaft transparent vergütet werden. Basierend auf der Regionalwert-Leistungsrechnung sollen Unternehmen in einen Fördertopf einzahlen, aus dem Betriebe für bereits erbrachte Leistungen bezahlt werden. Die Herausforderung: Wie lassen sich Unternehmen motivieren, dieses Modell zu nutzen und welche Mehrwerte bietet es ihnen?
● “Untere Naturschutzbehörde als Befähiger der Transformation” von Anke Hollerbach (Leiterin des Biosphärenreservatsamts Schalsee-Elbe): Landwirt:innen benötigen oft Genehmigungen und Fördermittel für ihre Ideen, wobei Behörden eine Schlüsselrolle spielen. Verwaltungen von UNESCO-Biosphärenreservaten haben Erfahrung in der Begleitung solcher Prozesse. Wie können sie besser als Katalysatoren und Begleiter von Veränderungen agieren?
Programmhighlights und Zitate der Speaker:innen
Im Dialog mit dem Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, Cem Özdemir, gab es einiges über politische Balance-Akte zu erfahren. Er beleuchtete in seinem Impulsvortrag, wie wir durch mutige und gemeinschaftliche Anstrengungen wirkungsvolle Veränderungen im System herbeiführen können.
ProjectTogether Gründer und Co-Geschäftsführer Philipp von der Wippel stimmte die Teilnehmer:innen bei einem Bühnenimpuls auf die Kraft des kollektiven Handelns ein:

Bei aller Unterschiedlichkeit der verschiedenen Akteur:innengruppen heute hier im Raum sind wir doch in der Überzeugung vereint, dass tiefgreifende Veränderung nur in ungewöhnlichen Allianzen gelingen kann. Und dass es nicht darum geht, wer am Ende recht hat, sondern ob wir gemeinsam was bewegt bekommen.
Philipp von der WippelCo-Founder & Geschäftsführer
ProjectTogether
Sarah Wiener, Star-Köchin und Stiftungsgründerin der Sarah Wiener Stiftung, und bis vor Kurzem unabhängige Abgeordnete im Europaparlament für die Grünen in Österreich, teilt ihre Erfahrungen und Sicht auf die EU-Agrarpolitik für eine zukunftsfähige, nachhaltige Ernährung. Sie gab wertvolle Einblicke in den Ablauf von Entscheidungsprozessen im EU-Parlament, die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP), die Verordnung zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln (SUR), Pestizidreduktion und ihre Vision von mutigeren Argarpolitikerinnen und -politikern.
Von Anne Skambraks durften die Besucher:innen von ihrer Kampagnenarbeit bei “Hof mit Zukunft – Wir haben es satt!” (DNR e.V.) über die Vernetzung von Aktivismus und Landwirtschaft lernen und welche Schlüsse sich daraus wir für die Transformation unseres Ernährungssystems ableiten lassen.

Unser Agrar- und Ernährungssystem bringt jährlich versteckte oder externe Kosten von mehr als 10 Billionen US-Dollar mit sich – und kostet damit mehr, als es erwirtschaftet.
Hermann Lotze-CampenPotsdam Institut
für Klimafolgenforschung
Hermann Lotze-Campen vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung betonte in seinem Vortrag die versteckten Kosten unseres Ernährungssystems. Allerdings gibt es Hebel und Optionen, um diese Kosten zu senken: Der wichtigste Hebel ist die Umstellung auf eine pflanzenbasierte Ernährung – die Planetary Health Diet. Jedoch müssten hier auch soziale Aspekte berücksichtigt werden: 2 Milliarden Menschen weltweit können sich gar nicht leisten, sich nach dieser Richtlinie zu ernähren.

Der Agrifood-Bereich ist ein unglaublich kapitalintensiver Bereich. Daher müssen wir auch darüber reden, wie wir diesen Bereich finanzieren wollen.
Dr. Christian BockRentenbank
Auch Christian Bock von der Landwirtschaftlichen Rentenbank sprach darüber, wie die Transformation in der Land- und Ernährungswirtschaft auf eine nachhaltige und partnerschaftliche Weise finanziert werden kann.

Die Innovationsfreude der Landwirtschaft ist kaum sichtbar, obwohl wir so öffentlich arbeiten. Es braucht mehr Kommunikationsbrücken in verschiedene Richtungen.“
Jana GäbertAgrargenossenschaft Trebbin eG
In einem Bühneninterview sprachen Martin Stiegler, Franken GeNUSS und Landwirt des Jahres 2023 und Jana Gäbert, praktizierende Landwirtin bei der Agrargenossenschaft Trebbin eG über wichtige Aspekte der Zusammenarbeit mit Landwirt:innen, da viele Projekte im landwirtschaftlichen Bereich angesiedelt sind. Oft wird jedoch kritisiert, dass die besonderen Bedürfnisse von Landwirt:innen in Projektstrukturen zu wenig berücksichtigt werden.
Nach dem Festival ist vor dem nächsten gemeinsamen Projekt
Was nehmen wir aus diesen inspirierenden Tagen mit? Mut und Zuversicht. Wir sagen Danke für den intensiven Austausch. Jetzt gilt es, Lösungen zu entwickeln und umzusetzen. Bei Farm-Food-Climate konzentieren wir uns auf die Wirkungsfelder Agroforst, Paludikulturen und Gemeinschaftsverpflegung.
Du arbeitest an einer Lösung in diesem Bereich und bist noch kein Teil der Farm-Food-Climate Community? Dann gestalte mit.