Sarina Spiegel ist Buchautorin in spe und beschäftigt sich mit Storytelling im Bereich der Circular Economy. Seit diesem Herbst steht Sarina auch ProjectTogether als Fellow zur Seite. Im Interview spricht sie über Narrative-Shaping, die Macht der Bilder und über ihre Motivation.
Liebe Sarina, neben Deiner Tätigkeit als Buchautorin in spe arbeitest Du jetzt als Fellow für ProjectTogether. Wie kam es dazu?
Ganz romantisch könnte ich jetzt sagen: Die Beziehung zwischen ProjectTogether und mir begann vor drei Jahren, 2021, mit UpdateDeutschland. ProjectTogether hat mir jemand aus dem Bekanntenkreis empfohlen und so habe ich ehrenamtlich mitgemacht und konnte das Team kennenlernen. Seitdem traf ich auf verschiedensten Events immer wieder Menschen von ProjectTogether. Irgendwann gab es mal ein längeres Gespräch mit Philipp (von der Wippel, Anm. d. Red.). Fast forward, kamen wir Ende August 2024 wieder ins Gespräch und jetzt sind wir hier.
Was machst Du in Deiner Rolle konkret? Was ist Dir dabei wichtig?
Geschichten erzählen! Am besten so, dass dabei ein Bild im Kopf entsteht und Emotionen ausgelöst werden.
Ein Beispiel: Wenn man einen Frosch ins heiße Wasser schmeißt, springt er sofort hinaus. Wenn man ihn ins kalte Wasser schmeißt und das Wasser langsam zum Kochen bringt, fühlt er sich so lange im wärmer werdenden Wasser wohl, bis er kocht und stirbt. Wissenschaftlich ist das zwar nicht korrekt, es hat sich aber trotzdem in den Köpfen vieler Menschen verfangen.
Das „Boiling Frog Syndrom” lässt sich ja auch wunderbar als Metapher nutzen: Wir haben uns im Laufe der Zeit so sehr daran gewöhnt, dass Depressions- und Burnoutraten steigen, dass die sogenannte „Hustle-Culture” cool ist, größere SUVs erstrebenswert sind oder ein voller Terminkalender für Wichtigkeit steht. Sodass es uns kollektiv schwerer fällt, uns etwas anderes überhaupt vorzustellen, bis wir uns – so die Metapher – verbrennen.
Ein andere sehr erfolgreiche Geschichte hat British Petroleum geschrieben, als sie den CO2-Fußabdruck in die Welt setzten. Seitdem beschuldigen sich Menschen einander für den CO2-Ausstoß ihrer individuellen Lebensweisen – das ist gut für diverse Großkonzerne, von deren viel höherem CO2-Ausstoß damit abgelenkt wird.
Die Liste an Narrativen, die sich festgesetzt haben und nicht hinterfragt werden, ließe sich ewig fortsetzen.
Meine Rolle heißt also „Circular Economy Storyteller”. Was mir dabei wichtig ist, ist falsche Narrative zu entlarven. Und verschiedene Sprachen für verschiedene Zielgruppen zu entwickeln. 16-jährige Schüler:innen begeistere ich für Circular Economy ganz anders als die 53-jährige Geschäftsführerin. Hauptsache, wir bekommen Circular Economy von der Müll- und Recycling-Assoziation gelöst.
Die Liste an Narrativen, die sich festgesetzt haben und nicht hinterfragt werden, ließe sich ewig fortsetzen. Meine Rolle heißt also „Circular Economy Storyteller”. Was mir dabei wichtig ist, ist falsche Narrative zu entlarven. Und verschiedene Sprachen für verschiedene Zielgruppen zu entwickeln.
Sarina SpiegelBuchautorin in spe
Fellow bei ProjectTogether
Du beschäftigst Dich in Deinem Buch aktuell mit Narrativen und Storytelling. Darin möchtest Du unter anderem das Buzzword „Wirtschaftstransformation” so herunterbrechen, dass es Spaß macht, sich damit auseinanderzusetzen. Welche Herausforderungen siehst Du aktuell dazu?
Wirtschaftstransformation klingt einfach gar nicht sexy, überhaupt nicht nach Spaß und ein Bild habe ich dazu sowieso nicht im Kopf. Was ich aktuelle sehe ist, dass ich nichts sehe. Keine klaren Zukunftsbilder, die irgendwas in mir auslösen, außer ab und an ein paar Hochglanzbroschüren mit irgendwelchen Maximilianstraßen, wie sie begrünt aussehen könnten – wunderbar!
Zumindest in der Primetime sehe ich das nicht.
Das Schöne ist aber ja, dass krasse Dinge gerade überall schon gemacht werden, bloß meistens „unsichtbar”. Vor ein paar Wochen war ich in der Jury vom Social Entrepreneurship Wettbewerb Generation-D; da haben auch wieder Start-up Teams Bilder gezeichnet, wie Deutschland in ein paar Jahren aussehen könnte. Von vielversprechenden Innovationen im Technologie-Bereich bis zu Ideen im Sozialbereich ist da alles dabei. Die Macht dieser Bilder müssen halt mehr Menschen sehen – ich wette, dann wäre die Grundstimmung eine andere.
Im öffentlichen Diskurs wird das Thema Nachhaltigkeit oft mit Verzicht in Verbindung gebracht. Müssen wir wirklich verzichten, wenn wir nachhaltiger leben wollen?
Achtung: Fangfrage! Denn damit wird gefragt: Bist Du Team individueller Verzicht oder Team Politik-System-Gesamtproblem? Ich bin gegen Verantwortungsdiffusion und deshalb kein Fan davon, den System- und Individualansatz gegeneinander auszuspielen.
Aus Klimaperspektive ist der größte Hebel, den wir haben, sicherlich unser CO2-Handabdruck. Also: Was tue ich den ganzen Tag? Für welche Art von Unternehmen stehe ich morgens auf? Für welche:n Arbeitgeber:in verbrauche ich meine tägliche Energie? Hat meine Arbeit, mein:e Arbeitgeber:in eine positive Auswirkung auf die mich umgebende Welt? Ich schätze, wenn wir sehr kritisch und ehrlich hingucken, können wir ganz gut einschätzen, zu welcher Richtung wir mit unserer Arbeitszeit beitragen.
Gleichzeitig sind große Hebel, die wir auf individueller Konsumebene, also den CO2-Fußabdruck, haben, zum Beispiel unser Rind- oder genereller Fleischkonsum und das Flugverhalten. Wenn ich täglich 3 Kilogramm Fleisch esse, würde ich sagen: Ein bisschen weniger wäre gut für alle, vor allem für meine Gesundheit.
Wie lässt sich Nachhaltigkeit auch anders erzählen? Welche Botschaften braucht es Deiner Meinung nach?
Zielgruppenspezifität, Humor, Leichtigkeit und starken Emotionen.
Und dann: Unterschiedliche Storyteller für unterschiedliche Kontexte, weil zum Beispiel Schüler:innen anderen Menschen und Geschichten ihre Aufmerksamkeit schenken, als das Unternehmer:innen tun.
Zu guter Letzt: Welche sind Deine Eindrücke vom Team bei ProjectTogether?
Wenn ich das in den letzten Tagen gefragt wurde, habe ich geantwortet:
Bei ProjectTogether habe ich Menschen kennengelernt, die sehr viel Drive und einen extrem hohen Wunsch nach Mitgestaltung haben. Das gekoppelt mit Strategie, Weitsicht, Pragmatismus und viel Menschlichkeit überzeugt mich sehr.
Vielen Dank für das Gespräch und willkommen im Team, liebe Sarina.
Das Gespräch führte Nina Schiegl.